Das kann nicht mehr lange gutgehen, denkt sich Raimund Peraudi und nimmt einen Schluck aus dem Bierhumpen, den ihm der Ratsdiener auf den Tisch gestellt hat.
Aber wenigstens das Hamburger Bier schmeckt dem an edlen Wein gewöhnten Italiener, der als Gesandter von Papst Alexander VI. in die Stadt gekommen ist, um die geistlichen Einrichtungen zu kontrollieren, um Ablassgelder einzusammeln und auch, um den Streit zwischen dem Rat und dem Domkapitel um dessen Stellung, Rechte und Einkünfte zu schlichten. „Oh Bier, wie schmeckst du fein“, lobt der Kardinal das Gebräu, denn sonst gibt es in der Hansestadt nicht viel zu rühmen. Und schon muss er sich wieder die Klagen eines Ratsherrn anhören, der sich über den Lebenswandel der Domherren, der Priester und Mönche beschwert. Ihren seelsorgerlichen Pflichten kommen sie immer weniger nach, dafür lieben sie das Lotterleben, veruntreuen Gelder und halten sich Konkubinen, die in kostbaren Kleidern wie feine Damen durch die Stadt stolzieren. Kardinal Raimund redet den Domherren ins Gewissen und tadelt die Mönche, doch dann reist er wieder ins ferne Rom – und in Hamburg bleibt alles beim Alten.