Erst im Zeitalter der Aufklärung aber erlangte Hamburg eine Bedeutung als Medienstandort, die mit der heutigen vergleichbar ist.
Hamburg und Altona, Schiffbek und Wandsbek bildeten als größte urbane Verdichtungen im Norden während der ersten beiden Jahrhunderte des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens das wichtigste Pressezentrum im deutschen Sprachraum.
Die weltweite Geschichte der gedruckten Zeitung begann 1605 in Straßburg mit einem Blatt des Druckers Johann Carolus, das im wöchentlichen Rhythmus über politische und militärische Geschehnisse unterrichtete. Diese Innovation wirkte wie eine Initialzündung. Befördert durch den Nachrichtenhunger während des Dreißigjährigen Krieges kam es schnell zu Nachahmungen. In Hamburg trat bereits 1618 Johann Meyer mit der Wöchentlichen Zeitung „auß mehrerley örther“ mit einem gedruckten Nachrichtenblatt an die Öffentlichkeit. Als Spediteur hatte er Zugang zu den Nachrichtenströmen, die im Handelszentrum Hamburg zusammenliefen. Zwölf Jahre später bekam Meyer durch den kaiserlichen Postmeister Hans Jacob Kleinhans Konkurrenz. Der leichte Zugang zu den kursierenden Nachrichten und die kostenfreie Nutzung der Postverbindungen verschafften der neuen Post-Zeitung wichtige Vorteile im Wettbewerb.
Im frühen 18. Jahrhundert wird Hamburg dann mit mehreren hundert Wochen- und Monatsblättern zu einem höchst innovativen Zentrum des Zeitschriftenwesens. Mit dem „Vernünfftler“ erscheint hier 1713 die erste Moralische Wochenschrift, welche die erfolgreichste Zeitschriftengattung in Deutschland begründet. 1712 entsteht mit der Staats- und gelehrten Zeitung des „Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“ das wichtigste deutsche Nachrichtenblatt. Es erscheint am Ende des 18. Jahrhunderts – Hamburg hat eine Einwohnerzahl von gut 100.000 – mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren. Innovativ ist neben den zahlreichen berichtenden Korrespondenten der Zeitung ein gelehrter Teil, eine Art Feuilleton.
Das neue Medium Zeitung veränderte schleichend, doch unaufhaltsam die Wahrnehmung des Lesers und seine mentale Einstellung zur Sphäre der Herrschaft. Die Politik und ihre Akteure verloren den Glanz des Ungewöhnlichen, sie wurden auch für die Untertanen zu diskussionsbedürftigen Objekten. Das war eine fundamentale Voraussetzung für Aufklärung und politische Moderne. In keiner anderen deutschen Stadt ist so gut zu verfolgen wie in Hamburg, dass die Zeitung sich innerhalb eines Jahrhunderts zum wichtigsten weltlichen Lesestoff entwickelt und die Mehrzahl der Stadtbürger zu Zeitungslesern wird.
Was folgt?
Die bis heute prägende Pressegründerzeit in Hamburg waren die 1940er und 1950er Jahre, in denen Abendblatt, Bild, ZEIT, Spiegel, Stern oder Hörzu entstanden. Gleiches gilt für den NWDR, aus dem später der NDR wurde, und für die Tagesschau.
Die nächste Gründerzeit folgte um die Jahrtausendwende, mit AOL und zahlreichen anderen Dotcom-Unternehmen, die dann in die Krise schlitterten und jetzt langsam wieder Boden unter den Füßen gewinnen.
Rundfunk, Film und Fernsehen haben die Wege und die Qualität von Information, Kommunikation und öffentlichem Diskurs grundlegend verändert. Heute befindet sich die Medienlandschaft durch die Digitalisierung in ihrem nächsten tiefgreifenden Umbruch. Was an dessen Ende herauskommt, ob nachfolgende Generationen noch beim Lesen Papier in der Hand halten, kann niemand voraussehen. Hamburg aber wird sicherlich weiterhin dabei eine wichtige Rolle spielen.
Die vier Medienrevolutionen
Die Art und Weise, wie in einer Gesellschaft Informationen produziert, aufbewahrt und weitergegeben werden, hat weitreichende Folgen für deren wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen. Man kann vier fundamentale „Medienrevolutionen“ unterscheiden:
-
von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit
-
von skriptographischen zu typographischen Medien
-
von typographischen zu audiovisuellen Medien
-
von audiovisuellen zu digitalen Medien
Text: Holger Böning/Klaus Sieg