Luther hätte getwittert

Mit der Reformation ging auch eine Medienrevolution einher.

Die konfessionellen Auseinandersetzungen und die Wirkung, welche die Reformatoren erzielen konnten, wären ohne die wenig zuvor entwickelte neuartige  Drucktechnik kaum möglich gewesen – auch wenn die Bedeutung der mündlichen Kommunikation und der Predigten nicht überschätzt werden kann.

Einblattdrucke, Flugschriften und Bücher verhalfen der Reformation zum Durchbruch. Umgekehrt beförderte die Reformation die Entwicklung dieser Druckwerke zu Mitteln der Massenkommunikation. Johannes Gutenberg hatte den modernen Buchdruck um 1450 erfunden. So neu war das Medium also nicht. Aber erst mit Reformation wurde die damalige Spitzentechnologie des Druckens mit beweglichen Lettern massenmedial genutzt.

Fragment einer in Hamburg gedruckten Zeitung aus dem Jahr 1526. (Quelle: Staatsarchiv Hamburg Bibliothek Z 900/01)


Würde er im 21. Jahrhundert leben, hätte Luther wohl getwittert.

Was heute die sozialen Netzwerke sind, waren zu seiner Zeit die Flugschriften. Die billigen und ungebundenen Bücher waren leicht zu transportieren und unters Volk zu bringen. Vor allem Flugschriften schossen mit ihren Auflagen in die Höhe.  Zwischen den Jahren 1500 und 1530 erschienen über 10.000 Ausgaben. Jeder lesekundige Deutsche hat in dieser Zeit im Schnitt zwanzig Flugschriften erstanden. Zunächst sind es vor allem Lutherschriften. Das wohl spektakulärste Instrument reformatorischer Öffentlichkeit waren seine gedruckten Predigten.  Später nutzten auch andere Autoren und selbst Luthers Gegner erfolgreich Flugschriften.

Frau mit Beutelbuch (Abbildung einer Statue in der St. Petrikirche), Handzeichnung F. L. de Bouck, 1854. Beutelbücher wurden seinerzeit von einer kleinen Oberschicht in der Hand oder am Gürtel getragen, um sich von jedermann sichtbar des Lesens und Schreibens mächtig zu identifizieren.  (Quelle: Staatsarchiv Hamburg Bibliothek A 131-05=4/117)

Auch mit seinen berühmten Thesen bediente sich Luther 1517 eines neues Massenmediums. Um sie zu publizieren, ließ er sie von einem Wittenberger Drucker als Plakat herstellen.

Neben dem brisanten Inhalt sind es diese neuen Kommunikationstechniken, die  für die nachfolgenden Ereignisse und die reichsweite Verbreitung und Diskussion verantwortlich waren.

Aber nicht alleine: Der Reformator entwickelte auch eine neue Sprache und Ansprache und kann zweiflesohne als erster volkssprachlicher Publizist angesehen werden. Schon früh war er nicht mehr bereit, sich auf die Bahnen eng begrenzter akademischer Öffentlichkeit abdrängen zu lassen. Mit seiner robusten Publizistik verstieß er gegen die Konventionen seiner Zeit, so dass  Erasmus von Rotterdam kritisierte, Luther mache alles öffentlich und lasse dadurch „den niedrigsten Handwerker an Problemen teilhaben“, die bisher Wissenschaftlern vorbehalten gewesen seien. Aber genau das verhalf ihm zum Durchbruch.


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