Heinrich Banskow

† 1540

Der Domscholasticus versteht die Welt nicht mehr. So weit ist man also schon gekommen, dass die Bürger frech werden und ihn beim Rat anschwärzen. Wissen sie überhaupt, mit wem sie es zu tun haben, fragt sich der Mann, der seit 1499 als Domscholasticus nach dem Propst und dem Dekan die Nummer drei unter den einflussreichen Domherren ist. Und damit nicht genug, schließlich ist er auch Propst und Domherr in Schwerin und Administrator des noch unmündigen Bischofs, Prokurator in Lübeck und päpstlicher Akoluth und Protonotar, der sich in der Bremer Erzdiözese um den Ablass kümmern soll. Außerdem unterhält er beste Beziehungen zur römischen Kurie, zum Bremer Erzbischof und zu den Herzögen von Mecklenburg.

Alles das interessiert die Hamburger Bürger nicht, die am 10. Juli 1522 im Rathaus erschienen sind, um sich bei Bürgermeister Nicolaus Tode über Heinrich Banskow zu beschweren. Im Gegenteil: Diese Ämterhäufung, die Banskow zu einem der reichsten Kleriker seiner Zeit macht, ist für sie gerade das Problem. Dadurch hat der Scholasticus gar keine Zeit, sich um seine eigentlichen Aufgaben zu kümmern. An der Nikolaischule läuft alles schief, die Schulmeister machen, was sie wollen – nämlich so gut wie nichts. Und überhaupt, was hat er da für Lehrer angestellt? Sie sind ungebildet und haben keine Ahnung, wie man Kinder unterrichtet. Und bei alledem hat er auch noch die Stirn, das Schulgeld drastisch zu erhöhen!

Die Bürger sind wütend, aber auch Banskow ist außer sich. Alles erfunden und erlogen, sagt er und verteidigt seine „vorzüglichen Lehrer“. Er dreht den Spieß um und macht den Bürgern Vorwürfe, weil sie ihre Kinder während der Unterrichtszeiten zu Gesangübungen in die Kirchen schickten und auch sonst die erzieherischen Maßnahmen unterlaufen würden.

So leicht lässt sich der einflussreiche Kleriker nicht unterkriegen. Noch kann er so leben, wie es ihm gefällt, kann – obwohl er doch eigentlich dem Zölibat unterworfen ist – mit seiner Haushälterin einen Sohn und drei Töchter zeugen. Aber er kann nicht verhindern, dass ihm die Bürger der vier Hamburger Kirchspiele schließlich doch die Aufsicht über die Nikolaischule und das Recht zu weiteren Schulgründungen entziehen.

Kein Wunder, dass Heinrich Banskow ein erbitterter Gegner der Reformation ist. Schließlich hat er sich in der alten Ordnung mit seinen Ämtern, Pfründen und Privilegien prächtig eingerichtet. Seine üppigen Einnahmen kann er bis zum Lebensende halten, sein Ruf aber ist miserabel, gilt er doch als abschreckendes Beispiel und Personifizierung der kirchlichen Missstände. Und damit hat er der Reformation ganz sicher eher genützt als geschadet. 


Text: Matthias Gretzschel

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