† 1531
Als Johann Zegenhagen aus Magdeburg 1526 nach Hamburg zieht, wird dort mit harten Bandagen um den richtigen Glauben gekämpft. Im Rat hält es die Mehrheit noch mit der alten Lehre. Aber schon an drei der vier Hauptkirchen, nämlich an St. Nikolai, an St. Katharinen und an St. Jacobi, wird evangelisch gepredigt. Zegenhagen hat bereits in Magdeburg die lutherische Lehre vertreten. Das setzt er erst in St. Katharinen und bald an der Nikolaikirche fort. Deutlich kritisiert er den Lebenswandel der Domherrn, Mönche und Nonnen und schafft im Gottesdienst all das ab, was seiner Meinung nach dem Evangelium widerspricht. Während nach katholischem Ritus der Wein bei der Eucharistie allein dem Klerus vorbehalten ist, führt Zegenhagen in Hamburg das Abendmahl „in beiderlei Gestalt“ ein.
Im Rat schüttelt man den Kopf und will den Rebellen wieder loswerden. Als Zegenhagen auch die Beichtpraxis ablehnt, ist das Maß voll: Der Rat hört nun nicht mehr auf die Bürger, die ihren Prediger behalten wollen, sondern setzt Zegenhagen kurzerhand vor die Tür, jedenfalls versucht er das. Binnen dreier Tage müsse er die Stadt verlassen, teilen die Ratsherren ihm mit – und ahnen nicht, welchen Proteststurm sie in Gang setzen. Am darauffolgenden Sonntag beratschlagen 400 aufgebrachte Bürger im Marien-Magdalenen-Kloster mit dem dortigen Pfarrer Stefan Kempe, wie man das Ganze rückgängig machen könne. Tags darauf sind es schon 2.000 Menschen aus allen vier Kirchspielen. Der Rat sieht sich zu einem Rückzieher genötigt. Mehr noch: Künftig darf Zegenhagen überall dort predigen, wo ihn die Bürger hören wollen.
Die Verfechter des alten Glaubens wollen das nicht hinnehmen. Ausgerechnet zu Weihnachten 1526 spitzt sich der Kampf an St. Nikolai zu: Dort weigern sich die altgläubigen Geistlichen, an den festliche Chorgesängen mitzuwirken. Sollte die Weihnachtsmusik ausfallen, so ihr Kalkül, würde das die Gemeinde gegen Zegenhagen aufbringen. Der begreift den Boykott als Chance, improvisiert und zelebriert die festliche Liturgie mit Lehrern und Schülern der Nikolaischule, was auf große Zustimmung stößt. Als die Kleriker in den folgenden Tagen wie gewohnt ihre gut honorierten Seelenmessen lesen wollen, verweigert ihnen Zegenhagen den Zutritt zu den Altären.
Am Ende seines Lebens hat der entschiedene Kämpfer für die Sache die Einführung der Reformation durch Johannes Bugenhagen noch miterlebt. Als er 1531 stirbt, ist Hamburg eine evangelische Stadt.
Text: Matthias Gretzschel