Hier zeigt sich, dass die Bürger nicht mehr bereit sind alles hinzunehmen. So ist es kein Wunder, dass Martin Luthers Kritik an den Missständen der Kirche, die im Zeitalter des Buchdrucks auch in Hamburg schnell bekannt wird, auf fruchtbaren Boden fällt. Simon Korver, ein aus den Niederlanden eingereister Buchdrucker, publiziert 1522 Luthers Schriften in niederdeutscher Sprache. Sie werden ihm förmlich aus der Hand gerissen. Zwar sind es nur die Wohlhabenden und Gebildeten, die Kaufleute und Juristen, die überhaupt lesen können, aber zuhören kann auch das gemeine Volk. Und bald gibt es von der Kanzel völlig neue Töne zu hören, speziell von der Kanzel der Klosterkirche Maria-Magdalenen, wo ab 1523 der aus Rostock stammende Franziskaner Stefan Kempe predigt.
Der propagiert nicht den Ablass, mit dem man sich von den Sünden freikaufen kann, sondern bezieht sich auf die Bibel: „Sola scriptura“, allein die Heilige Schrift, soll der Maßstab des Glaubens sein. Und dort steht nichts von Ablass, sondern von der Gnade Christi, derer man nicht durch Almosen oder Kompensationszahlungen, sondern allein durch den Glauben teilhaftig werden kann. Kempe bezieht sich auf Martin Luther, den Augustinermönch, der in Wittenberg den Aufstand gegen den Papst und den alten Glauben probt. Manche der Ratsherren spüren die Unruhe in der Stadt und sind skeptisch, denn Unruhen sind schlecht für den Handel und fürs Geschäft. Andere sitzen selbst unter Kempes Kanzel in Maria-Magdalenen und finden dessen Gedanken zur Bibelauslegung überzeugend.
Endlich ist da mal einer, der predigt, der zu den Menschen spricht, ihnen in ihrer Sprache die Welt und den Glauben erklärt.