Hanseatische Gelassenheit

Ganz so turbulent geht es in Hamburg nicht zu, als der Rat Befürworter und Gegner der neuen Lehre im Mai 1527 und im April 1528 zur Disputation ins Rathaus lädt. Die Kirche, argumentieren die Altgläubigen, sei „Säule und Firmament der Wahrheit“, während die Lutheraner die alten Positionen zur Sündenvergebung, zum Sakrament des Abendmals und zur Autorität der Kirche jeweils mit Verweis auf die Heilige Schrift buchstäblich auseinandernehmen. Das ist durchaus kein Fachstreit unter Theologen, sondern eine Auseinandersetzung, die die Menschen in ihrer Frömmigkeit und Lebenswirklichkeit unmittelbar betrifft. Die wohlhabenden Bürger, die lesen und schreiben können, kontrollieren mit der Hilfe von Luthers Septembertestament, wie die Übersetzung des Neuen Testaments genannt wird, ob die lutherischen Pastoren sich auch tatsächlich an die Schrift halten. Aber auch die Armen fühlen sich und ihren Glauben nun ernstgenommen, sie hören den Predigten in niederdeutscher Sprache zu, die ihnen im besten Sinne Lebenshilfe geben. So ist es kein Wunder, dass sich die Lutheraner durchsetzen und den Rat überzeugen können.

Gotteskasten von St. Nikolai aus dem Jahr 1527. Mit der Gotteskastenordnung wurde die Fürsorge der Armen durch die Gemeinde geregelt. (Quelle: Staatsarchiv Hamburg, Inv.-Nr. 512-3 = XIII 1)Dann geht alles ziemlich schnell, die altgläubigen Geistlichen verlassen die Stadt, die Klöster werden aufgelöst und im September 1529 beschließen Rat und Bürgerschaft eine Neuregelung für das Armenwesen, das die bisherige auf Almosen gegründete klösterliche Fürsorge ablöst. Die Spenden für Bedürftige werden in sogenannten Gotteskästen gesammelt, um deren Verwaltung sich Bürger kümmern. Diese bilden ein Kollegium, das gemeinsam mit dem Rat über alle Kirchenangelegenheiten verhandelt. 

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