Der Palmesel von St. Jacobi

  • Der Palmesel erinnert an den festlichen Einzug Jesu Christi in Jerusalem, Christus auf dem Palmesel Holz, gefertigt um 1380, Hohenzollerisches Landesmuseum Hechingen. (Quelle: Wuselig, Wikipedia)

„Anno 1445 wurde das Bild (gemeint ist eine Skulptur) Jesu am Palmtage (Palmsonntag) neu in die Kirche St. Jacobi zu Hamburg gebracht. Es war ein sehr großes Bild, viel größer als ein Mann groß ist. Das saß auf einem Esel. Das pflegten sie um den Kirchhof zu ziehen am Palmtage. Aber da Gottes Wort – Gott lob! – wieder an den Tag gekommen ist, musste die Abgötterei weichen und das Bild musste in die Garvekammer (Raum für die heiligen Geräte und Gewänder der Pastoren) reiten im Jahre 1530 und ist noch nicht wieder hervorgekommen, weil die Leute es als einen Gott anzubeten pflegen.“

So schreibt 1557 der Hamburger Syndikus Adam Tratziger in seiner Chronik der Stadt, die 1861 von Johann Martin Lappenberg herausgegeben wurde.

St. Jacobi erhielt während des 15. Jahrhunderts eine immer reichere Ausstattung. Die gute wirtschaftliche Situation der Zünfte und Bruderschaften im Kirchspiel führte zu einer Reihe von Schenkungen und Stiftungen.

Zu diesen Stiftungen gehörte auch die oben erwähnte Christusskulptur. Es ist eine aus Holz geschnitzte Figur gewesen, die auf einem Esel ritt; ein Schaustück, das in jedem Jahr zur Palmsonntagsprozession dem versammelten Volk voranzog. Als Umgang wurde so der in den Evangelien geschilderte Einzug Jesu in Jerusalem am Sonntag vor Karfreitag und Ostern nachvollzogen.

Die prunkvolle Palmprozession um St. Jacobi mit diesem sehr großen Palmesel an der Spitze hat damals in der ganzen Stadt Aufmerksamkeit erregt. Nach reformatorischem Verständnis waren derartige Prozessionen nicht hilfreich, um den Menschen das Evangelium nahezubringen. Tratziger bringt es in seiner Chronik auf den Punkt: „Die Leute pflegten das Bild für Gott selbst zu halten und anzubeten.“ Darum hörte der Brauch der Palmsonntagsprozession bald nach Einführung der Reformation auf. Es wird allerdings überliefert, dass am Palmsonntag 1530 einige Leute, um sich einen Spaß zu erlauben, die Christusbildfigur in einer Schein- und Spottprozession noch einmal um die Kirche gezogen und anschließend mit Äxten zerschlagen hätten.


Text: Alexander Röder

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