Die Kanzelbekrönung aus der Petrikirche

Ein spektakuläres Ausstattungsstück der St. Petrikirche ist die kunstvoll geschnitzte, mit Säulen und Intarsien verzierte Bekrönung des Kanzelaufgangs aus dem Jahre 1598.

Die Kanzelbekrönung aus der St. Petrikirche, s/w, ca. vor 1939. (Foto MKG)Auf dem Dach des architektonischen Aufbaus steht der siegreich auferstandene Christus, der Tod und Teufel unter seinen Füßen niedertritt. Das Motiv gibt der Hoffnung zur Auferstehung und zum ewigen Leben Ausdruck, die auch im Relief des Hauptfeldes wieder aufgenommen wird. In der Mitte des Reliefs sitzt ein betender Mann vor einem Baum. Links neben ihm steht ein offener Sarg. Die Zweige des Baumes sind auf der rechten Seite üppig belaubt und auf der linken Seite dürr und kahl. Im Hintergrund sind Adam und Eva mit der Schlange zu sehen. Das Relief knüpft an die protestantische Ikonographie von Gesetz und Erlösung an, die Lucas Cranach d.Ä, (1472–1553) in Abstimmung mit Martin Luther entwickelt hatte. Der allein durch den Glauben selig werdende Mensch wendet sich im Gebet vom Sündenfall, dem Tod und dem auf Erden herrschenden Gesetz ab, um sich der göttlichen Gnade des auferstandenen Christus und dem ewigen Leben zuzuwenden. Die Rückseite der Kanzelbekrönung ergänzt die Darstellung mit einem lateinischen Zitat aus dem fünften Buch Moses, das in der Übersetzung lautet: „Ihr sollt nichts dazutun, auf dass ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon tun, auf dass ihr bewahren möget die Gebote des Herrn eures Gottes, die ich euch gebiete.“

Die Bekrönung gehörte zu einem Portal, das den Zugang zu der 1603 neu angefertigten Kanzel bildete. Ihre Gestaltung folgt Entwürfen des aus den Niederlanden stammenden Künstlers Hans Vredeman de Vries (1527–1609), der sich mit einigen Unterbrechungen ab 1591 in Hamburg aufhielt und hier 1609 starb. Er führte etliche Aufträge für die St. Petrikirche aus. Unter anderem stattete er die Grabkapelle für den Goldschmied Jakob Mores mit Gemälden aus. Eines dieser Bilder stellte zeitgenössischen Berichten zufolge Christus dar, unter dessen Füßen Teufel, Tod und Hölle liegen. Das Gemälde zeigte auch ein vorspringendes Kranzgesims, das von zwei hölzernen, tragenden Skulpturen gestützt wurde. Das heute verlorene Gemälde kann nicht mit der geschnitzten Bekrönung des Kanzelaufganges identifiziert werden, die tatsächlich ein vorspringendes Kranzgesims, zwei tragende Skulpturen und den triumphierenden Christus in sich vereint. Dennoch lässt sich feststellen, dass das Motiv von Gesetz und Erlösung an Kanzeln selten dargestellt wird und dass die auf Totenköpfen ruhenden Kindergstalten auf den Giebelschrägen, von denen einer ein Buch und der andere ein Stundenglas hält, besser zu einem Grabdenkmal als zu einer Kanzel passen.

Die Bekrönung des Kanzelaufgangs wurde nach dem großen Brand von 1842 bei der Neueinrichtung der Kirche nicht wiederverwendet. Sie befand sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zur kriegsbedingten Auslagerung 1939 im Museum für Kunst und Gewerbe. Nach dem Krieg galt sie lange als verschollen, kehrte jedoch Mitte der 1980er Jahre in das Museumsdepot zurück. Sie ist ein seltenes und wertvolles Zeugnis sakraler Kunst in Hamburg aus der Zeit um 1600.


Text: Barbara Uppenkamp

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